Wenn wir ein kleines Dorf so organisieren würden wie unser globales Wirtschaftssystem, würden wir dies wahrscheinlich als autoritäres oder feudales Regime bezeichnen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Oxfam zeigt das erschreckende Bild der globalen Ungleichheit und wie das Überleben aller einen radikal anderen Kurs erfordert.
Sie haben vielleicht bereits von der berühmten Zahl gehört, dass 8 Männer so viel Reichtum besitzen wie 50% der Menschen auf dem Planeten Erde? Falls nicht, willkommen in der Realität der Ungleichheit im globalen Maßstab [1]. Die Organisation Oxfam dokumentiert seit einigen Jahren den Anstieg der globalen Ungleichheit. Ihr aktueller Bericht mit dem Titel „Survival of the Richest“ zeigt das Ausmaß, in dem unser globales Wirtschaftssystem große Teile des Wirtschaftswachstums an diejenigen verteilt, die bereits am meisten besitzen [2]. Schauen Sie sich die zentrale Abbildung des Berichts unten an. Sie zeigt, dass von jedem zusätzlichen Dollar (oder € oder Rupien, wie Sie möchten), den die Welt in den letzten zwei Jahren produziert hat, 63 Dollar an die reichsten 1% des Planeten gingen. Während diese Zahl von 63% tatsächlich ein neuer trauriger Rekord ist, ist sie kein Ausreißer, sondern entspricht dem allgemeinen Trend des letzten Jahrzehnts, in dem mehr als 50% des neu geschaffenen materiellen Wohlstands an die obersten 1% gingen. Als zu Beginn der Pandemie einige auf eine Welle der Solidarität und eine Änderung hin zur Umverteilung und Priorisierung des Gemeinwohls vor Profit hofften, zeigen diese Fakten die ernüchternde Realität. Die Pandemie und die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die globalen Ungleichheiten nur weiter verstärkt. Insbesondere Lebensmittel- und Energieunternehmen konnten ihre Gewinne mehr als verdoppeln [ebd.], während gleichzeitig die Mehrheit der Menschen mit einer erheblichen Krise der Lebenshaltungskosten konfrontiert ist. Die Weltbank zweifelt bereits daran, ob die extreme Armut bis 2030, wie in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) vorgesehen, beendet werden kann [3].
Quelle: Oxfam; Berechnung basierend auf dem Credit Suisse Global Wealth Report.
Wenn wir ein kleines Dorf so organisieren würden wie unser globales Wirtschaftssystem, würden wir dies wohl eher als ein autoritäres oder feudales Regime bezeichnen, in dem lediglich die Reichsten die vielfachen Krisen überleben. Doch der globale Maßstab macht diese Tatsache für diejenigen, die im Zentrum der Macht im Globalen Norden leben und davon profitieren, weniger bis gar nicht greifbar. Da wir uns in einer eskalierenden Klimakrise befinden, müssen wir uns auch den ökologischen Wahnsinn dieser Verteilungsdynamik vor Augen führen: Alle Ressourcen und Energie die in die 63% des neuen Reichtums gehen, stehen nicht zur Verfügung, um grundlegende Bedürfnisse der globalen Mehrheit zu decken, in einer Zeit, in der wir sowieso den Materialeinsatz und den Energieverbrauch eigentlich drastisch begrenzen müssten. Deshalb ist der Titel „Survival of the Richest“ provokativ, aber zutreffend. Für das Überleben aller, so Oxfam, müssen wir Reichtum besteuern und die Ressourcen in eine universelle Grundversorgung für alle investieren.
[1] https://www.oxfamamerica.org/explore/research-publications/an-economy-for-the-99-percent/
[3] https://www.reuters.com/world/africa/world-bank-says-goal-ending-extreme-poverty-by-2030-wont-be-met-2022-10-05/ , gesehen hier: https://www.weforum.org/agenda/2023/01/global-inequality-is-a-failure-of-imagination/
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Autor: Sven-David Pfau, Wirtschaftsuniversität Wien
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